Nach Jahren des Arbeitskräftemangels befindet sich der Arbeitsmarkt im Umbruch: Sowohl kleine als auch große Unternehmen kündigen an, Stellen abzubauen. Die Frage ist daher, ob Arbeitgeber verpflichtet sind, einem Arbeitnehmer eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes für den Fall der arbeitgeberseitigen Kündigung zu zahlen.

Die Frage ist in der Theorie mit einem klaren „Nein“ zu beantworten, in der Praxis werden aber regelmäßig Abfindungen gezahlt. Dies vor folgendem Hintergrund:

Wenn ein Arbeitgeber (ohne Inhaber/Geschäftsführer und Auszubildende) mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer beschäftigt, dann greift für ihn das Kündigungsschutzgesetz. Sofern er einem Arbeitnehmer kündigen möchte, bedarf es eines (verhaltensbedingten, personenbedingten oder betriebsbedingten) Kündigungsgrundes. Ein verhaltensbedingter Grund liegt vor, wenn der Arbeitnehmer sich falsch verhält. Regelmäßig muss hier vorher abgemahnt werden. Personenbedingte Gründe liegen in der Person des Arbeitnehmers, beispielsweise lang andauernde Erkrankungen mit negativer Prognose. Betriebsbedingte Kündigungen können greifen, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers wegen mangelnder Arbeit wegfällt und eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt wurde.

Wenn eine Kündigung wirksam ist, dann beendet sie das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Kündigungsfrist. Wenn eine Kündigung unwirksam ist, was in der Praxis häufig der Fall ist, da die Anforderungen des Gesetzes und der Gerichte an eine wirksame Kündigung sehr hoch sind, ist das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Der Arbeitgeber muss an den Arbeitnehmer grundsätzlich von dem Zeitpunkt, zu er dem Arbeitnehmer gekündigt hat, bis zum Urteilsspruch des Gerichtes den Lohn nachzahlen muss (Annahmeverzugslohn), ohne dass der Arbeitnehmer auch nur einen „Handschlag“ für den Arbeitgeber gearbeitet hat. Dieses Annahmeverzugslohnrisiko lässt sich der Arbeitnehmer regelmäßig vom Arbeitgeber abkaufen, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt. Die Regelabfindung beträgt 0,5 Bruttogehälter pro Beschäftigungsjahr, wobei abhängig von den Erfolgsaussichten dieser Betrag im Einzelfall aus Sicht des Arbeitgebers geringer oder aus Sicht des Arbeitnehmers höher liegen

kann. Vor diesem Hintergrund wird in der Praxis oftmals eine Abfindung zur Beilegung eines Kündigungsschutzprozesses gezahlt. Das Annahmeverzugslohnrisiko aus Arbeitgebersicht besteht aber nur, wenn der Arbeitnehmer fristgemäß innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Klage gegen die Wirksamkeit der Kündigung erhoben hat. Erhebt der Arbeitnehmer nicht fristgemäß Klage, wird auch eine unwirksame Kündigung wirksam.

Obwohl es keine umfangreichen Studien gibt, so ist der einschlägigen Fachliteratur zu entnehmen, dass die Klagehäufigkeit bei 15 - 20 % liegt, d. h. von 100 ausgesprochenen Kündigungen werden nur 15 bis 20 Kündigungen per Kündigungsschutzklage angegriffen. Als Arbeitgeber könnte man daher durchaus versucht sein, es „einfach mal zu probieren“ und ein Arbeitsverhältnis ohne Vorliegen von Kündigungsgründen zu kündigen.

Als Arbeitnehmer sollte man sich unbedingt innerhalb der gesetzlichen Fristen (idR drei Tage) bei der Bundesagentur für Arbeit melden, um eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu verhindern. Zusätzlich ist es sinnvoll, sich anwaltlichen Rat einzuholen, um die Rechtmäßigkeit einer Kündigung bzw. die Chancen einer Kündigungsschutzklage abschätzen zu lassen.

Robert Rausch

Rechtsanwalt